Durch diese sogenannten invasiven Verfahren können wir die Erbanlagen des Kindes abklären und auch bestimmte Therapien durchführen. Die invasiven Untersuchungen dienen, als zusätzliche Diagnostik in der Schwangerschaft, in erster Linie der Erkennung von Chromosomenstörungen (Störungen der Erbanlagen des ungeborenen Kindes). Diese Untersuchung wird bei Schwangeren durchgeführt, bei denen sich aus Vorgeschichte oder aktuellem Befund ein erhöhtes Risiko hinsichtlich Erberkrankungen zeigt oder die Abklärung aus persönlichen Gründen gewünscht wird. Zur Ermittlung des individuellen Risikos oder bei auffälligem Befund können diese Untersuchungen in unserer Praxis auch von einem Facharzt für Humangenetik begleitet werden.
In Deutschland wird entsprechend der Mutterschaftsrichtlinien allen Frauen, die bei Geburt 35 Jahre oder älter sind, die Durchführung einer Fruchtwasseruntersuchung angeboten ( sogenannte Altersindikation ). Grund hierfür ist ein mit dem mütterlichen Alter steigendes Risiko für eine fehlerhafte Verteilung der Chromosomen ( dies sind die Träger des Erbmaterials in den Zellen ) bei der Entwicklung der befruchteten Eizelle. Durch eine fehlerhafte Zellteilung kann es zum Beispiel zur Veränderung der Chromosomenanzahl kommen. Die häufigste und bekannteste dieser Störungen ist das Down-Syndrom, bei dem das Chromosom 21 dreimal statt zweimal vorliegt ( Trisomie 21 ). Heutzutage haben wir diese reine Altersindikation jedoch weitgehend verlassen, da wir mit dem Next Generation Fetal Screening die altersabhängigen Störungen in bis zu 99% erkennen.
Weitere Gründe für eine Amniozentese können auffällige Befunde bei der Ultraschalluntersuchung, auffällige Blutuntersuchungen ( Risikotests ) oder in der Familie bzw. bei den Eltern vorliegende Chromosomenveränderungen sein. Auch bei Verdacht auf eine Infektion des ungeborenen Kindes
( z.B. durch das Zytomegalievirus oder bei Toxoplasmose ) kann eine Fruchtwasseruntersuchung
sinnvoll sein.
Somit können wir mittels der Fruchtwasseruntersuchung bestimmte fetale Erkrankungen sicher ausschließen, wodurch wir Ihnen die Furcht vor einer möglichen Erkrankung oder Fehlbildung des Kindes nehmen.
Über ein Schnelltestverfahren (PCR oder FISH) bekommt man innerhalb von 12-36 Stunden eine recht zuverlässige Auskunft (Sicherheit über 98%) über die häufigsten Chromosomenstörungen ( das sind die Trisomien 21, 18 und 13, die Triploidie und das Turner-Syndrom ). Das Kulturergebnis über den numerischen und strukturellen Chromosomensatz dauert ca. 2 Wochen.
Die Analyse des Fruchtwassers beinhaltet standardmäßig auch die Bestimmung des alpha-Fetoproteins. Dies ist ein kindlicher Eiweißkörper, dessen Konzentration bei Spaltbildungen des Rückens (Spina bifida) oder der Bauchwand (Gastroschisis) vermehrt ins Fruchtwasser übertritt.
Die Amniocentese ab dem Schwangerschaftszeitpunkt 16+0 ist die risikoärmste der Fruchthöhlenpunktionen.
Die Chorionzottenbiopsie führen wir schon ab der vollendeten 11. Schwangerschaftswoche durch. Daher ist sie für Paare geeignet, die ein möglichst frühes Untersuchungsergebnis wünschen. Andere Gründe für eine Chorionzottenbiopsie können auffällige Befunde bei der Ultraschalluntersuchung ( z.B. eine erweiterte Nackentransparenz ), auffällige Blutuntersuchungen ( Risikotests ) oder in der Familie bzw. bei den Eltern vorliegende Chromosomenveränderungen sein. Auch bei Stoffwechselstörungen oder bekannten Erbkrankheiten in der Familie bieten wir häufig eine Chorionzottenbiopsie an.
Das Chorion ist eine Zellschicht an der Außenseite der Fruchtblase. Aus den Chorionzellen entstehen sogenannte Chorionzotten, die im weiteren Verlauf den kindlichen Teil des Mutterkuchens ( Plazenta ) ausbilden. Diese Zellen sind zwar kein Teil des Ungeborenen, aber in der Regel genetisch identisch. Bei der Chorionzottenbiopsie wird aus einem Teil der gewonnenen Gewebeprobe eine sogenannte Direktpräparation durchgeführt. Durch spezielle Techniken kann hierbei innerhalb von 12-36 Stunden bereits die grobe Struktur und die Anzahl der Chromosomen bestimmt werden. Ein unauffälliges Ergebnis schließt die häufigsten Chromosomenstörungen weitgehend aus.
Aus dem übrigen Gewebe legen unsere Humangenetiker dann eine Langzeitkultur an, deren Ergebnis nach ca. 14 Tagen vorliegt. Die Untersuchung der gezüchteten Zellen bildet dann das endgültige Ergebnis, bei dem auch kleinere Anomalien ( soweit sie mikroskopisch erkennbar sind ) erfasst bzw. ausgeschlossen werden können.
Liegen bekannte Erbkrankheiten in der Familie vor ( bei denen meist nicht ein ganzes Chromosom, sondern nur kleine Abschnitte auf dem Chromosom – die sogenannten Gene - verändert sind ), ist es in einigen Fällen möglich, auch diese zu überprüfen ( dies nennt man dann molekulargenetische Untersuchung ).
Leider ist es bei allem wissenschaftlichen Fortschritt grundsätzlich nicht möglich, sämtliche denkbaren Erkrankungen zu 100% auszuschließen.
Die Cordozentese ist besonderen diagnostischen und therapeutischen Indikationen vorbehalten und wird nach SSW 18 von uns durchgeführt. Durch sie gelingt eine schnelle Karyotypisierung aus Lymphozyten (2-5 Tage),
z. B. bei spät entdeckten fetalen Auffälligkeiten. Außerdem kann sie nötig sein zur Infektionsdiagnostik, bei Verdacht auf fetale Stoffwechselstörungen und zur fetalen Therapie, z.B. der fetalen Anämie oder Thrombopenie.
Einschließlich der Fälle mit fetaler Pathologie liegt das Komplikationsrisiko über dem der Amniozentese und der Chorionzottenbiopsie, insgesamt bei 1-2 %.
Die Indikationsstellung zur Punktion erfolgt in enger Absprache mit unseren Ärzten für Humangenetik.